„Zu zweit ist Chef sein einfach schöner“
Jobsharing funktioniert, wenn alle mitziehen – zwei Managerinnen zeigen, wie es geht
Im Konzern VKB in München betrat man vor einigen Jahren Neuland: Zwei junge Mütter teilen sich seither die Leitung der Abteilung Vertriebsveranstaltungen. Nicht alle waren seinerzeit überzeugt, dass Führung teilbar sei. Die beiden Managerinnen, Verena Haller und Christina Jung, beweisen tagtäglich das Gegenteil.
Beide kommen sie aus anderen Unternehmensbereichen. Die eine bringt jede Menge Führungserfahrung ein, die andere als Juristin nicht nur Fachwissen, sondern auch praktische Vertriebskompetenz. Aber beide wollten sie etwas ganz Neues ausprobieren: Sie teilen sich die Führung, seit die Kollegin des ursprünglichen Führungstandems in Elternzeit gegangen ist. Und, so viel sei vorweggenommen, die Funktion macht ihnen großen Spaß, und sie sind froh, dass sie diese Chance erhalten haben.
Sprung ins kalte Wasser
Gleich am Anfang des Gesprächs wird klar, wie gut sich die beiden verstehen. Fällt der einen gerade nicht ein, was ihr auf der Zunge liegt, weiß das bestimmt die andere. War es ein Sprung ins kalte Wasser? Ja, so war es, geben beide zu: Neues Modell, neues Ressort, neues Team, neue Tätigkeit, das war schon eine Herausforderung. Und doch kam hier zusammen, was offenbar zusammengehörte: Hallers Führungslaufbahn und Jungs Vertriebs- und Fachwissen. Und dann fällt ein wichtiger Satz: „Zu zweit ist Chef sein einfach schöner.“ Vielleicht der Schlüssel dieser geglückten Zusammenarbeit. Beide stimmen überein: „Wenn die Chemie stimmt und man sich vertraut, läuft Jobsharing prima.“ Jede trage die Entscheidungen der anderen mit. Manchmal, so geben sie zu, rauchen zwar die Köpfe hinter verschlossenen Türen, aber bis dato wurde immer eine Lösung gefunden. Eines betonen die beiden mehrmals: „Ganz wichtig ist, dass alle in der Abteilung, der übrigens ausschließlich Frauen angehören, mitziehen. Ohne sie geht es nicht!“
Hoher Anspruch
Der Anspruch an die zwei Jobsharer ist hoch: „Jede von uns beiden kann zu jedem Thema eine qualifizierte Auskunft geben“, sagt Haller. Das heißt auch, dass – entweder im gemeinsamen Büro oder telefonisch – fast täglich eine Übergabe stattfindet, um den fließenden Infotransfer zu gewährleisten. Jede betreut zwar eigene Veranstaltungen. Dennoch sind beide immer up to date hinsichtlich aller wichtigen Vorgänge. Auch für ihre Chefin eine gewisse Herausforderung. „Sie weiß nie, mit wem von uns beiden sie es zu tun haben wird bei einer Besprechung“, erklärt Jung. Aber auch die Vorgesetzte der Jobsharer sei offen für das Modell und unterstütze es voll und ganz. Disziplinarisch trägt das Führungstandem zusammen die Verantwortung für alle Mitarbeiterinnen. Sonst, so erklären beide wie aus einem Mund, hätten wir „zwei Abteilungen in einer kreiert“. Ihrer beider Führungsstil sei der gleiche, ergänzen Jung und Haller.
Die Sicht der Mitarbeiterinnen
Neben dem kontinuierlichen Feedback-Angebot im Team-Jour-fixe haben die Jung-Mangerinnen unlängst eine anonymisierte Mitarbeiterbefragung vorgenommen. Schließlich, so sagen die beiden, seien es die Mitarbeiterinnen, die tagtäglich damit Erfahrung sammelten, wie es ist, zwei Chefinnen zu haben. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Alle im Team finden es gut, dass der Konzern VKB das Modell Jobsharing unter Führungskräften als einer der Vorreiter in der Versicherungsbranche anbietet. Das Feedback von zwei Personen, ganz unterschiedliche Impulse sowie die Möglichkeit, Sachverhalte aus mehreren Perspektiven betrachten zu können, werden als Bereicherung angesehen. Und ja, auch sie sagen, dass es funktioniert, die Stimmung sei gut. Die Praxis habe aber auch gezeigt, dass ein gewisser Mehraufwand, beispielsweise in der Kommunikation und der Terminfindung, nicht immer vermeidbar sei. „Absolut nachvollziehbar“, so die beiden Führungskräfte.