Dolmetscher für Business-Männlich
Dr. Jörg Wittenberg zu den drei Erfolgsfaktoren Selbsterkenntnis, Selbstbehauptung und Selbstvermarktung
Die Karrierewelt ist bisher noch eine Männerwelt. In vielen Fällen fehlt es Frauen an einer Strategie für die bessere Selbstbehauptung und Selbstvermarktung im Job. Dr. Jörg Wittenberg bietet ambitionierten Frauen Hilfestellung zu Karrierethemen. Wir sprechen mit ihm über die Stärken sowie Talente von Frauen und fragen ihn nach den häufigsten Karrierebremsen.
Herr Dr. Wittenberg, als Berater, Coach und Trainer beschäftigen Sie sich unter anderem mit dem Thema Frauen in Führungspositionen.
Ja, das stimmt. Das Thema Coaching von Frauen in Führungspositionen zählt zu den drei Säulen meiner Arbeit. Daneben berate ich Unternehmen in Veränderungsprozessen und führe Trainings auf dem Gebiet der Führungskräfteentwicklung sowie der Burn-out-Prävention durch.
Was war der Auslöser (für Sie als Mann!), Frauen coachen und damit aktiv fördern zu wollen?
Ich hatte schon während meiner zwei Jahrzehnte Berufspraxis in verschiedenen Managementfunktionen gelernt, dass es sich für Unternehmen lohnt, Frauen in Führungspositionen zu bringen. Zum einen, weil Frauen oftmals über Talente verfügen, die bei Männern Mangelware sind, und zum anderen, weil gemischte Teams erfolgreicher arbeiten. Schnell war die Zahl der weiblichen Führungskräfte in meinem Bereich höher als die der Männer. Davon profitierte auch ich unmittelbar, denn ich machte die Erfahrung, hier meine Stärken einsetzen zu können, eine hohe Akzeptanz zu erleben und sichtbare Erfolge zu erzielen. Und außerdem machte es mir viel Freude, die Entwicklungsprozesse zu begleiten.
Der Vorteil für Frauen, von einem Mann gecoacht zu werden, liegt auf der Hand. Ich bin als Mann ein „Native Speaker“ in der Sprache der Geschäftswelt, dem Business-Männlich. Es geht ja darum, die Kultur der Männerwelt zu verstehen. Also ist es nur folgerichtig, sie sich von einem Mann erklären zu lassen. Sie würden ja auch nicht einen New Yorker Taxifahrer im Amazonas nach dem Weg fragen. In diesem Sinne verstehe ich mich als Übersetzer und Kulturbotschafter für die Frauen.
Was unterscheidet weibliche Führungskräfte von ihren männlichen Kollegen?
Im Vergleich zu Männern werden den Frauen im Beruf oftmals eher soziale Attribute wie Gemeinschaftsorientierung, Fürsorglichkeit und Freundlichkeit zugeschrieben. Gleichfalls zeichnet sich ihr Kommunikationsverhalten dadurch aus, dass sie ihre Gesprächspartner aktiver in Gespräche einbeziehen und ihre eigene Position zumeist in einem mehr zurückhaltenden Sprachstil vertreten, als dass dem anderen Geschlecht zu eigen ist.
Aus meiner täglichen Coachingarbeit mit Frauen in Führungspositionen möchte ich zwei weitere Aspekte hinzufügen. So erlebe ich Frauen in Führungspositionen in der inhaltlichen Dimension ihrer Arbeit mehr als sachbezogen denn als ichbezogen. Anders formuliert: Frauen wollen die Sache gut machen, Männer hingegen wollen selbst gut sein. Hinzu kommt ein Unterschied in der persönlichen Dimension ihrer Arbeitswelt. Hier erlebe ich Frauen mehr beziehungs- denn hierarchieorientiert. Eine Eigenschaft, die auf der beruflichen Karriereleiter, die konstruktionsbedingt aus Über- und Unterordnungsbeziehungen besteht, nicht immer hilfreich ist.
Über welche Stärken verfügen weibliche Talente?
Die Frage nach den Stärken von weiblichen Führungskräften führt meines Erachtens leicht in die falsche Richtung, weil die Eigenschaften, die als Managementstärke betrachtet werden, durchaus vom kulturellen Background abhängig sind. Fragt man beispielsweise in skandinavischen Ländern nach den Merkmalen der idealen Führungskraft, so werden dort Team-, Motivations- und Konsensfähigkeit an oberster Stelle genannt. In Deutschland dagegen gelten Entschluss- und Durchsetzungskraft sowie souveränes Auftreten als Merkmale einer idealen Führungskraft. Und so ist es auch nur konsequent, dass Frauen in den skandinavischen Ländern häufiger auf den Führungsetagen anzutreffen sind als in Deutschland.
Bei uns hingegen werden noch Managementeigenschaften bevorzugt, die den klassischen Rollenmustern folgend als typisch männlich gelten. Außerdem wünscht sich hierzulande immer noch ein Großteil der Angestellten eine männliche Führungskraft, und nur eine Minderheit äußert den expliziten Wunsch nach einer Frau an der Spitze des Unternehmens. Es dominieren also noch immer „männerlastige“ Vorstellungen über die gängige Rollenverteilung und die Stärken einer idealen Führungskraft.
Stärken der Frauen
Tatsächlich halte ich es für die größte Stärke der Frauen, dass sie überhaupt anders denken, fühlen und handeln als Männer und gleichzeitig 50 Prozent unserer Gesellschaft repräsentieren. Im Rahmen einer weitsichtigen Unternehmenspolitik, die alle wachsenden Herausforderungen unserer pluralistischen Gesellschaft meistern muss, kann die Antwort nur sein, auf Diversity zu setzen. Aus diesem Grund ist es auch wichtig, dass Frauen im Rahmen von Personalentwicklungsmaßnahmen nicht zu „besseren Männern“ umerzogen werden, sondern die vorhandenen Unterschiede auch genutzt werden.
Was sind Ihrer Meinung nach die häufigsten Karriere-Stolpersteine von Frauen?
Ich denke, man muss hier externe und interne Stolpersteine unterscheiden. Zu den externen Hindernissen zählen sicher die vorgegebenen Rahmenbedingungen wie die vorherrschenden Arbeitszeitmodelle oder der Mangel an Kindergartenplätzen auf Ganztagsbasis. Aber auch die immer noch dominierenden klassischen Rollenbilder in unserer Gesellschaft.
Stolpersteine
Zu meinen TOP 3 der internen Stolpersteinen zählen hingegen:
- die mangelnde Selbstvermarktung der Frauen,
- das fehlende Bewusstsein für das notwendige Networking im Job und
- das ambivalente Verhältnis zum Thema Macht als Teil der Managementkultur.
Was raten Sie den Frauen, wie sie diese überwinden können?
Wie bei vielen Veränderungsprozessen beginnt auch bei diesen drei Themen die Veränderung bei den Betroffenen selbst. Es gilt, zumeist tief verwurzelte Glaubenssätze zu überwinden. Der weitverbreitete Selbstzweifel von Frauen an ihrer eigenen Qualifikation verhindert oftmals, dass sie überhaupt aus den Startlöchern kommen. Viele treten den Karrierewettkampf nicht oder zu zaghaft an, weil sie selbst nicht glauben, dafür gut genug zu sein. Fakt ist aber, wer nicht losläuft, kann auch nicht ankommen.
Sichtbar werden
Ein weiterer Glaubenssatz basiert auf der Vorstellung, dass man bei guter Leistung auch die notwendige Aufmerksamkeit und damit automatisch Anerkennung bekommt: „Der Chef wird meine gute Arbeit schon sehen und bei der nächsten Beförderungsrunde an mich denken.“ Wer sich an sein eigenes Shoppingverhalten beim letzten verkaufsoffenen Wochenende erinnert, müsste wissen, wohin man schaut, wenn man auf einer Shoppingmeile entlangschlendert. Entweder man sucht direkt die Geschäfte, die einem bekannt sind, oder man wendet sich den hell erleuchteten Schaufenstern mit den grelleren Lichtern und den ansprechenden Farben zu. Nicht anderes funktioniert das im Beruf. Entweder ist man bekannt oder man macht auf sich aufmerksam. Wer auf seine Entdeckung wartet, ohne aktiv zu werden, wartet zumeist umsonst.
Haltung und Souveränität als Schlüssel
Drittens hilft es, sich im Rahmen eines strukturierten Selbsterkenntnisprozesses auch ein klares Bild über seine Rolle als Führungskraft zu erarbeiten. Ja, bei vielen Frauen beobachte ich das Phänomen, dass sie auf der einen Seite gerne gehört werden, selbstständig gestalten und am Ende auch entscheiden wollen. Auf der anderen Seite fällt es ihnen aber schwer, die Gewinnung von Macht auch in ihren persönlichen Zielkatalog aufzunehmen. Der Begriff Macht ist bei ihnen oftmals negativ belegt und wird unterbewusst mit Gewalt oder Unterdrückung gleichgesetzt und das lehnen sie (zu Recht) ab. Objektiv gesehen ist die Macht aber nichts anderes als die Möglichkeit oder Fähigkeit, dass jemand etwas bewirken oder beeinflussen kann. Wer hingegen machtlos ist, kann demzufolge auch nicht führen. Ein eindeutiges Bild über ihre angestrebte Rolle als Führungskraft würde hier zur Klärung des scheinbaren Widerspruchs beitragen. Am Ende geht es um die eigene Haltung als Führungskraft und die Wahrung einer authentischen Rollensouveränität.
Für Unternehmen bieten Sie das Erfolgsprogramm 3S an, worum geht es hier?
Die 3S stehen für die drei Erfolgsfaktoren auf dem Weg nach oben: Selbsterkenntnis, Selbstbehauptung und Selbstvermarktung. Im Rahmen eines dreiteiligen Trainingsprogrammes werden weibliche (potenzielle) Führungskräfte an die dahinterstehenden Herausforderungen herangeführt. Sie lernen, sich einerseits besser reflektieren zu können und andererseits in praktischen Übungen die Erfolgswirksamkeit von Verhaltensänderungen unmittelbar zu erfahren.
Im Modul Selbsterkenntnis geht es um die Erarbeitung der persönliche Ziele und damit zusammenhängender Rollenkonflikte, die Analyse des Persönlichkeits- und Stärkenprofils sowie verschiedene Aspekte der eigenen Außenwirkung. Im zweiten Modul, der Selbstbehauptung, werden Unterschiede im Verhalten von Männern und Frauen vermittelt und die Konsequenzen für den erfolgreichen Umgang damit erprobt. Dazu gehört insbesondere auch der praktische Teil, bei dem wichtige Erkenntnisse aus Selbstverteidigungskursen für Frauen in die Berufswelt übertragen werden. Dieser Teil fordert die Teilnehmerinnen besonders, ist aber dafür auch voller positiver Überraschungsmomente. Der dritte Teil schließlich dreht sich um das Thema Selbstvermarktung, das nach meiner Erfahrung die größte Baustelle der Frauen auf ihrem Karriereweg darstellt und damit auch entscheidende Karrierefortschritte verspricht.
Für Frauen, die nicht auf die Unterstützung ihres Arbeitgebers warten möchten, biete ich das Karriere-Wochenende an. Hier vermittle ich ein praxisorientiertes Toolkit für mehr Erfolg in der männerdominierten Berufswelt. Am Ende des Wochenendes sind den Teilnehmerinnen ihre beruflichen Ziele bewusst, sie kennen ihre persönlichen Stärken sowie die Eigenheiten der Männerwelt und können so ihren Weg auf der Karriereleiter erfolgreicher bewältigen.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Wittenberg.
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