Zwei Frauen an der Spitze – wie Topsharing gelingen kann!

Titelbild mit Anna-Katharina Schak und Julia Staudt
© Anna-Katharina Schak und Julia Staudt

Interview mit Julia Staudt und Anna-Katharina Schak

Jobsharing ist eine immer noch seltene Arbeitsform, bei der zwei oder mehr Personen sich eine „Vollzeitstelle“ teilen. Dabei teilen sie sich nicht nur die Arbeitszeit, sondern auch die Verantwortlichkeiten und Aufgaben. Selbst für Führungsrollen bietet dieses Modell eine Reihe guter Beispiele. Darüber haben wir uns mit zwei Role Models, die sich seit 6 Jahren die Bereichsleitung innerhalb eines deutschen Großkonzerns teilen, unterhalten können. Über welche Vorteile, Herausforderungen und Erfahrungen berichten Julia Staudt und Anna-Katharina Schak?

fm: Wie kam es dazu, dass Sie sich für das Jobsharing-Modell entschieden haben, und welche Vorteile sehen Sie darin?

Julia Staudt: Wir beide haben im gleichen Team gearbeitet und kannten uns als Kolleginnen. Wir waren beide im Talentprogramm für Potenzialträgerinnen und wollten mehr Verantwortung übernehmen, ohne eine 60-Stunden-Woche in Kauf nehmen zu müssen. Als dann Führungspositionen in Vollzeit ausgeschrieben waren, haben wir die Chance genutzt und uns einfach gemeinsam auf eine Stelle beworben.
Anna-Katharina Schak: Die Vorteile von Jobsharing sind sehr vielfältig, z.B. an freien Tagen wirklich abschalten zu können, weil die andere übernimmt. Für das Unternehmen sind es zweimal Erfahrung, Wissen und Energie auf einer Stelle. Es gibt kaum Ausfallzeiten und in strategische Entscheidungen fließen immer zwei Perspektiven ein. Gerade in der Führung sind es die Mitarbeitenden, die von zwei Chefinnen profitieren.

fm: Wie teilen Sie Ihre Verantwortlichkeiten und Aufgaben im Jobsharing? Gibt es bestimmte Bereiche, in denen Sie sich spezialisieren?

JS: Wir haben die gemeinsame Verantwortung für ein Team und damit die gemeinsame disziplinarische Führung. Somit ist immer jemand ansprechbar und es kommen wieder zwei Einschätzungen in Bezug auf die Mitarbeitenden zum Tragen. Wir bereiten Mitarbeitergespräche gemeinsam vor, führen sie aber nicht zusammen. Uns ist es wichtig, dass bei Gesprächen das One-to-one-Prinzip greift. Bei Wertschätzung ist die doppelte Power gut, bei eher kritischeren Themen ist es nicht mehr fair.

AS: Am Anfang des Sharings haben wir uns eher Schwerpunkte gesetzt, im Laufe der sechs Jahre haben wir uns beide breiter aufgestellt. Wir haben jedoch alle Themen schon immer im Sharing und nie im Splitting behandelt. Mittlerweile decken wir mit unserem Team ein sehr breites Themenspektrum ab. Allerdings vertreten wir uns gegenseitig und sind zu allen Themen aussagefähig.

fm: Welche Herausforderungen sehen Sie im Jobsharing und wie gehen Sie damit um?

JS: Grundlage unserer Zusammenarbeit ist absolutes Vertrauen ineinander. Es bedarf einer guten Abstimmung zwischen uns, damit sich unser Umfeld keine Gedanken machen muss, wer die richtige Ansprechpartnerin zu welchem Thema ist. Das regeln wir unter uns. Das bedeutet aber auch, dass wir quasi austauschbar sind. Unsere Erfolge sind gemeinsame Erfolge, Konkurrenz untereinander hat im Jobsharing keinen Platz.

AS: Um gut abgestimmt zu sein, haben wir einmal in der Woche ein gemeinsames Arbeitsmeeting, in dem wir strategisch wichtige Entscheidungen treffen und Dinge abarbeiten. Zeitgleich hat jede von uns ihr Daily Business, zu dem es keine Absprachen braucht und nur Ergebnisse geteilt werden. Wir arbeiten nach der Kanban Logik mit verschiedenen hilfreichen Tools. Herausfordernd ist, wenn sich das Arbeitspensum, statt für EINE Rolle auf ZWEI Personen bezieht. Abstimmung braucht auch etwas Zeit – das sehen wir als beste investierte Zeit in Menschen & Themen.

fm: Wie reagieren Ihre Mitarbeitenden auf das Jobsharing-Modell? Gibt es bestimmte Maßnahmen, die Sie ergreifen, um sicherzustellen, dass alle gut unterstützt werden?

JS: Der große Vorteil für die Mitarbeitenden ist, dass immer jemand für sie da ist. Und sie haben die Wahl, mit wem sie sprechen, d.h. es entscheidet auch die persönliche Präferenz, welches Thema die Mitarbeitenden mit wem besprechen.

AS: Gleichzeitig achten wir darauf, in kritischen Gesprächen nicht zu zweit aufzutreten, damit nicht das Gefühl von „zwei gegen einen“ aufkommt. Bei uns hat sich ein Schneeball-Effekt ergeben im Laufe der Jahre: Respekt, Transparenz und Co-Creation leben wir vor – das Team hat es selbstverständlich übernommen.

fm: Welche Fähigkeiten und Eigenschaften sind Ihrer Meinung nach besonders wichtig, um erfolgreich im Jobsharing zu arbeiten?

JS: Zum einen sind es die agilen Werte Offenheit, Mut, Respekt, Commitment und Fokus, die die Basis für unsere Zusammenarbeit bilden. Im Jobsharing muss man Erfolge und Misserfolge teilen können und die gemeinsame Verantwortung übernehmen. Es braucht eine gute Kommunikation und eine Unternehmenskultur, in der das Wir wichtiger ist als das Ich.

AS: Man muss offen sein für Feedback und Reflektion. Tandems tendieren dazu, sich gegenseitig nonstop zu coachen, das ist nicht für jeden ein Geschenk.

fm: Welche Tipps würden Sie anderen Unternehmen geben, die das Jobsharing-Modell einführen möchten?

JS: Ich finde es wichtig, dass Unternehmen Jobsharing nicht als freundliches Angebot an ihre Mitarbeitenden sehen, sondern die enormen Vorteile für alle Beteiligten erkennen. Flexible Arbeitsmodelle sind ein wichtiger Baustein für Arbeitgeberattraktivität, sowohl im Recruiting als auch in der Bindung der Mitarbeitenden. Bei dem Mangel an Fachkräften kann man es sich eigentlich nicht mehr leisten, in alten Mustern zu denken. Es geht nicht primär um Arbeitszeit, sondern um eine andere Art der Arbeit.

AS: Mein Tipp wäre, den Tandems möglichst viel Flexibilität in der Ausgestaltung der Stelle zu lassen und das Jobsharing nicht zu überregulieren. Und zuletzt finde ich es wichtig, Jobsharer nicht strenger zu bewerten als eine einzelne Person, die neu im Job ist. Der Blick sollte sich nicht auf die Arbeitsorganisation richten, sondern auf die Ergebnisse. Denn das ist am Ende entscheidend für den Erfolg.

fm: Vielen Dank für das inspirierende, aufschlussreiche Gespräch und die wertvollen Einblicke. Wir wünschen Ihnen beiden weiterhin viel Erfolg und einen spannenden weiteren Karriereweg.

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