Es lohnt sich, mutig zu sein
Wo die Chancen der Digitalisierung für den einzelnen Menschen liegen
Mit der Digitalisierung ändert sich die Arbeitswelt grundlegend. Als größte Herausforderung gilt für Unternehmen die wachsenden Komplexität sowie in neuen demokratischeren Strukturen zusammenzuarbeiten. Natalie Kho, Start-up-Managerin und Perspektivengestalterin, berichtet uns bei einem Kaffee aus ihrer Perspektive, wo die Chancen der Digitalisierung für den einzelnen Menschen liegen, und aus ihrem eigenen abwechslungsreichen Berufsalltag.
Frau Kho, mit der Digitalisierung ist unsere Arbeitswelt im Wandel. Was ist der größte Vorteil und wie nutzen Sie ihn?
Ich sehe in der Digitalisierung nicht nur Vorteile. Digitalisierung ohne einen zweckmäßigen Ansatz wirft die Frage nach dem Sinn auf. Ein wichtiger Aspekt ist, dass Menschen sich durch sinnvolle Digitalisierung auf die wirklich wichtigen Aufgaben konzentrieren können. Das fordert natürlich erst einmal heraus, denn ehemals wichtige Aufgaben verlieren an Stellenwert. „Andere“ Aufgaben zu identifizieren und in Einklang mit den Kompetenzen eines jeden Mitarbeiters zu bringen, vernachlässigen viele Unternehmen.
Sie sind in verschiedenen Bereichen tätig und bringen Ihre Talente in unterschiedlichen Unternehmen ein. Wie sieht Ihr normaler Arbeitstag aus?
(lacht) Es gibt keinen. Jeder Tag ist anders und das ist genau so, wie ich es mag. Morgens starte ich im Idealfall damit, meine Aufgaben kurz zu priorisieren und mit meinem Team ein Status Update untereinander zu machen. Danach bin ich dann meistens im Kundengespräch, im Coaching mit Start-ups, entwickle Konzepte und Angebote oder moderiere ein Event. Ich gebe zwischendrin Feedbacks zu Vertriebsansätzen, unterstütze Start-ups bei der Selbststrukturierung, der Verprobung von Hypothesen oder begleite Workshops bei Kunden.
Am Wochenende moderiere ich Konferenzen, da beginnt mein Tag oftmals mit einer kurzen Rücksprache mit meinen Co-Moderatoren. Ein wichtiger Teil meiner Arbeit ist es, Kontakte herzustellen, zu netzwerken, aber auch gut zuzuhören. Ich verstehe mich selbst als Räume-Ermöglicherin und Rahmengeberin. Oftmals springe ich dabei schnell von Kontext zu Kontext, ich mag das – es fordert mich aber auch.
Wenn ich nicht im Büro starte, dann starte ich in einem Café mit kleinem Frühstück und einem Termin, so wie heute mit Ihnen.
Laut einem aktuellen SZ-Artikel wirkt sich Freundschaft im Job auf die Qualität der Arbeit aus. Kommuniziere ich zum Beispiel Kritik unter Freunden anders als unter Kollegen?
Ich genieße es persönlich sehr, mit Freunden zu arbeiten. Für mich steigert das die Qualität. Arbeit wird dadurch natürlich emotionaler und intensiver, aber warum sollte ich deshalb darauf verzichten? Ich verbringe den Großteil meines Alltags mit Arbeit oder Projekten, da will ich Spaß haben und voll dabei sein. Wenn ich mit Freunden arbeite, besteht oftmals eine festere Vertrauensbasis und eine Freundschaft hält mehr aus, als eine Arbeitsbeziehung, das erleichtert vieles. Ehrlich gesagt, ist Kritik unter Freunden ehrlicher und schonungsloser, warum sollten wir uns etwas vormachen?
Es geht mir nicht darum, Arbeit unnötig zu emotionalisieren, sondern sowohl für die Arbeit als auch die Freundschaft einen guten Rahmen zu schaffen. Und ich muss auch nicht mit jedem befreundet sein. Bei mir war meistens erst die Freundschaft da und dann die gemeinsame Arbeit.
Wie können gerade Start-ups gute Leute finden? Ist Headhunting ein Thema?
Gute Leute werden immer gebraucht und sind schwer zu finden. Viel wichtiger sind die Richtigen, die die Lust haben, sich unter hohem Risiko zu committen und voll darauf einzulassen. In vielen Start-ups passiert das informell, man begegnet sich, begegnet sich ein zweites Mal und versteht sich. Andere Start-ups gehen das sehr strukturiert und mit Ausschreibung an. Gerade am Anfang ist das viel Netzwerkarbeit.
Headhunting können sich die meisten jungen Start-ups aber gar nicht leisten. Gründer müssen mit ihrer Person und ihrer Idee überzeugen, sie müssen ein Gespür dafür haben, was neue Leute motiviert und dann vor allem Vertrauen schaffen, dass es sich lohnt einzusteigen.
Was können Unternehmen von Start-ups lernen? Gibt es Tipps & Tricks?
Alle wollen immer ein Rezept… das gibt es meiner Meinung nach nicht. Worin viele (Early-stage-)Start-ups gut sind, ist schnell einen Prototypen zu bauen, an den Markt zu gehen und zu validieren, ob das Produkt ankommt – oder auch nicht. Start-ups verwerfen Ideen schneller und trennen sich aktiver von Dingen, die nicht gut laufen. Sie sind manchmal einfach angstbefreiter – es ist oft ein all in or nothing. Sie überzeugen einfach, so wie sie sind. Viele Gründer hören sehr genau zu, was sagen die Kunden, die Investoren und Mentoren und positionieren sich dann auch sehr klar. Durch die limitierten Ressourcen sind sie gezwungen, pragmatisch zu entscheiden, insbesondere in der frühen Phase.
Generell würde ich zwischen unterschiedlichen Phasen von „Neuer Arbeit“ unterscheiden. Nicht alle, die sagen, sie machen new work, meinen auch das Gleiche. Da gibt es einige Abstufungen: Start-ups haben neue Ansätze in Bezug auf Kunden- und Marktnähe. Gleichzeitig sind Start-ups nicht das Nonplusultra „neuer Arbeit“. Es gibt Unternehmen und NGO’s, die sich von klassischen Hierarchiekonzepten gelöst haben, die mit neuen Grundsätzen, wie dem Beraterprinzip oder „verantwortlicher Freiheit“ oder „dynamischer Entscheidung“ arbeiten und so nicht die Arbeit strukturieren, sondern die dafür notwendige Kommunikation. Die viel menschenzentrierter arbeiten (siehe auch meine Arbeit bei www.leadershiphoch3.de).
Was ist die größte Herausforderung, welcher Sie in Ihrem Berufsleben entgegenstehen?
Puh, alles und nichts (lacht). Mir ist gerade wirklich keine große bewusst, wahrscheinlich weil es immer eine Neue gibt und keine so groß ist, dass sie nicht machbar ist … Außerdem lerne ich dabei so viel, dass ich mich darauf freue und das nicht so negativ sehe. Diese Woche darf ich wieder vor 1.000 Gästen moderieren, das ist cool. Wenn ich ehrlich bin, ist meine größte Herausforderung wohl, ausreichend Pause zu machen, auf mich zu achten und mir selbst mal eine Auszeit zu gönnen (lacht).
Was hat Sie selbst auf Ihrem Karriereweg nachhaltig beeinflusst?
Die Frage ist eher, wer. Da waren und sind so viele Menschen, die mich geprägt und inspiriert haben. Menschen, die an mich geglaubt und mich ermutigt haben. Klingt kitschig, ist aber so. Ich habe mich viel mit Leuten umgeben, die alternative Lebenswege haben, das hat mich motiviert auch meinen eigenen Weg zu finden.
Mein ehrenamtliches Engagement hat mich viel über mich selbst gelehrt, wie belastbar ich bin, was mir Energie gibt, was mich ausbrennt und warum. Meine jetzigen Projekte unterstützen mich, meine eigenen Werte immer wieder zu hinterfragen und zu schärfen. Wichtig ist dann auch für mich, dass ich für neue Ansätze, die ich spannend finde, einstehe. Darüber reden und dann auch machen, ist gar nicht so leicht.
Worin sehen Sie bislang Ihre beste Entscheidung?
Sie stellen echt schwere Fragen. Ich kann mich schlecht entscheiden und spontan würde ich sagen alle – sonst wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin. Ich habe noch nie eine Entscheidung bereut. Ich mache dann einfach immer das Beste daraus und meistens weiß ich ja im Vorfeld, worauf ich mich einlasse.
Zu guter Letzt, Frau Kho, welchen (Karriere-)Tipp würden Sie unseren Leserinnen und Lesern mit auf den Weg geben?
Es lohnt sich, mutig zu sein! Probiert Euch aus, steht für Euch ein, macht Dinge, die erst mal nicht denkbar sind und nicht ins Schema F unseres klassischen Wirtschaftsverständnis passen. Wir haben zu viel Angst, sozial geächtet zu werden. Wenn wir alle etwas nachsichtiger miteinander umgehen und uns trauen, dann lohnt sich das, einfach Ängste zu überwinden. Ganz ehrlich – ich kenne so viele Menschen mit „verrückten“ Lebenswegen und -schritten, inklusive meinem – es ist also möglich.
Über Natalie Kho
Natalie Kho arbeitet in Teilzeit als Start-up-Managerin am LMU Entrepreneurship Center in München und begleitet dort frühphasige Start-ups. Sie gründete 2013 mit Anne Kliebisch die Cool Ideas Society Deutschland und ist nun im Vorstand des Vereins. Als selbstständige Trainerin, Prozessbegleiterin und Coach bringt sie ihre jahrelangen Erfahrungen (sowohl im Konzern als auch in Start-ups) in die Begleitung von Einzelpersonen und Teams mit ein. Neben ihrer Arbeit am LMU Entrepreneurship Center begleitet sie Firmen und Führungskräfte bei Fragestellungen rund um kollektive Führung & new work bei Leadership³. Darüber hinaus coacht sie auch Menschen in ihrem individuellen Prozess bei Wandercoachings #malweg und schafft so neue Räume für Entwicklung.
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