Die Rosine im Ohr
Wie man den anderen noch hört, auch wenn’s mal lauter wird
Achtsamkeitsseminare sind zurzeit sehr angesagt: Kein Wunder, versprechen sie doch ein Innehalten, eine gewisse Entschleunigung, nach der sich fast alle Menschen in unserer immer schneller werdenden Zeit sehnen. Ein Klassiker in diesen Seminaren ist die „Rosinenübung“.
Alle erhalten dafür eine Rosine in die Hand, dann geht die Übung schon los: Welche Farbe hat die Rosine, wie sieht sie genau aus, wie riecht sie? Ist sie weich oder hart? Wie fühlt sie sich an? Dann wird sie in den Mund gesteckt und man widmet sich weiter intensiv allen Wahrnehmungen rund um die Rosine: Wie schmeckt sie, welche Konsistenz hat sie, wie lässt sie sich im Mund herumbewegen? Ob man es überhaupt schafft, sie nicht gleich auf einen Satz zu vertilgen? Diese Übung soll gar nicht so einfach sein und zu interessanten Einblicken führen, haben wir uns sagen lassen.
Wir, das sind Uschi Conforti, Johanna Lang und Verena Thalhammer, Gründerinnen des Start-ups DenkWild! In unseren Coachings und Workshops zeigen wir, wie man gut mit Konflikten umgeht und sie für kreative Lösungen nutzen kann. Wir sagen: Wer Innovation will, muss streiten können. Und bei uns kann man lernen, wie gutes Streiten geht.
Als wir von der Rosinenübung hörten, dachten wir uns: Wie schön wäre es doch, wenn Menschen, die miteinander reden, sich einander mit der gleichen Aufmerksamkeit widmen würden, wie besagter Rosine! Leider sieht es oft anders aus, wenn Leute in schwierige Gespräche oder Verhandlungen starten.
Streitgespräche sind keine Kissenschlacht
Schnell wird ein Gespräch zum „Gesprächsduell“. Jeder bringt sich in Stellung, wohl präpariert mit den eigenen Argumenten, und während der andere noch spricht, wird im Geiste bereits formuliert, was man gleich selbst als Nächstes zu sagen beabsichtigt. Was das Gegenüber sagt, wird so im besten Fall nur halb gehört oder man antwortet vielleicht gar auf etwas, nach dem gar nicht gefragt wurde. Die menschlichen Fähigkeiten sind begrenzter als wir es gerne hätten: Es ist schlicht unmöglich, jemandem gut zuzuhören und gleichzeitig in Ruhe seine eigenen Gedanken zu sammeln und zu formulieren.
Versucht man es trotzdem, ist das Ergebnis ein munteres Bewerfen mit Argumenten, gefolgt von gegenseitigen Unterbrechungen, Missverständnissen, vielleicht sogar Unterstellungen. Das führt zu Frustrationen, die sich dann oft in Ironie oder Zynismus ein Ventil suchen, was wiederum zu Verletzungen und Kränkungen führt. Die Gesprächsatmosphäre wird giftig. Hat so ein Gespräch mal ein gewisses Tempo und einen gewissen Ton erreicht, ist es nicht weit bis zum bloßen Schlagabtausch oder man hat gar keine Lust mehr, das Gespräch weiterzuführen, und bricht ab.
Kein Wunder, dass diese Art, miteinander zu reden, nicht gut funktioniert, dass Verhandlungen, die so geführt werden, oft scheitern oder Verträge nicht zustande kommen! Und wer kennt nicht das Gefühl, in viel zu vielen und viel zu langen Meetings zu sitzen, in denen viel zu wenig herauskommt?
Macht diese Art Gespräche eigentlich glücklich? Führen sie zu erfolgreichen Geschäftsbeziehungen? Hat man das Gefühl, seine Zeit gut genutzt zu haben? Wir sind überzeugt, es gibt bessere Wege, miteinander zu kommunizieren, auch und gerade wenn es in Gesprächen einmal schwierig wird.
Zuhören mit allen Sinnen
Der Einstieg in gute Kommunikation muss ein Blick auf uns selbst sein: Es ist eines der Grundbedürfnisse eines jeden Menschen, sich verstanden zu fühlen und anerkannt zu werden. Ein gutes Gespräch kann deshalb nur gelingen, wenn man wirklich beabsichtigt, zu erkennen, worum es dem Gegenüber gerade genau geht. Das heißt zu zeigen, dass man die andere Seite kennenlernen will. Dann fühlt sie sich verstanden und angenommen. Je mehr ihr signalisiert wird, dass man sich für ihre Gedankengänge wirklich interessiert und sie im Detail nachvollziehen möchte, desto sicherer wird sich die Gegenseite fühlen und sich noch genauer erklären.
Es geht darum, sich die Mühe zu machen, dem Gedankenweg des anderen zu folgen und ihm das zu zeigen. Es geht nicht darum, seine Ideen zu teilen oder gar der gleichen Meinung zu sein.
Heißt das also, sich entspannt zurückzulehnen, die Klappe zu halten und die anderen einfach mal reden zu lassen? Das wird sicher nicht so gut rüberkommen! Richtiges Zuhören ist kein passives Im-Sessel-Hängen, sondern eine überaus aktive Sache, die die volle Aufmerksamkeit erfordert und bei der man im besten Fall alle Sinne einsetzt.
Dazu gehört, Gesprächspartner freundlich anzusehen, zu zeigen, dass man für das Gespräch bereit ist. Das geliebte Handy, Fernseher (oder andere Störenfriede) einfach mal ausschalten; Stimmungen aufzunehmen, durch Nachfragen zu überprüfen, ob man alles richtig verstanden hat. Mit Gesten, Mimik und wohlwollenden, kurzen Bemerkungen deutlich zu machen, dass man konzentriert und interessiert zuhört. Genau die Reaktionen auf die eigenen Anmerkungen zu beobachten und auch hier, im Zweifelsfall nachzufragen, ob man sie richtig gesehen hat. Nicht bewerten, sondern einfach zuhören und das Gesagte auf sich wirken lassen.
Schlicht, machen Sie Ihrem Gesprächspartner das Geschenk Ihrer vollen und ungeteilten Aufmerksamkeit.
Und was kommt für mich dabei rum?
Sie fragen sich vielleicht: Dauert das alles nicht viel zu lange? Sie werden sich wundern, meistens brauchen Gesprächspartner gar nicht so lange, sich darzulegen, wenn sie denn einmal in Ruhe reden dürfen.
Und: Lohnt sich gutes Zuhören wirklich auch für den Zuhörer? Auf jeden Fall, einfach mal ausprobieren! Denken Sie einfach beim nächsten schwierigen Gespräch an die Rosine im Ohr. Auch wenn es sich erst einmal ungewohnt anfühlen wird, Ihr Gegenüber wird es Ihnen mit Offenheit und einer höheren Bereitschaft für ein fruchtbares Gespräch danken. Oft werden so andere, kreativere Lösungen möglich.
Wenn es nicht gleich perfekt klappt, lassen Sie sich nicht entmutigen: Den ersten Schritt in die richtige Richtung haben Sie bereits gemacht. Weitere Tipps und Tricks und ganz konkrete Kommunikationstechniken stellen wir Ihnen und Ihrem Team in unseren DenkWild!-Workshops und Coachings vor. Alles Erlernte kann dort gleich ausprobiert und eingeübt werden, sodass die Umsetzung im Alltag noch besser gelingt.