Chemie der Gefühle

Stand mit Gewürzen auf einem Basar
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Interview mit Dr. Marco Rauland über Hormone, die Vorteile gemischter Teams und den kleinen Unterschied

Dr. Marco Rauland hat als Chemiker in der pharmakologischen Forschung gearbeitet, danach als Marketingmanager und ist heute Consultant in der Pharma-Marktforschung. Er ist außerdem freier Wissenschaftsjournalist und hat bereits die Bücher „Chemie der Gefühle“ und „Warum verliebte Köche die Suppe versalzen“ veröffentlicht.

Herr Dr. Rauland, Sie sind Biochemiker, Marketingberater und Wissenschaftsjournalist. Wann haben Sie begonnen, den „kleinen Unterschied“ wissenschaftlich zu betrachten?

Mein erstes Buch „Chemie der Gefühle“, beschäftigt sich mit den biochemischen und hormonellen Prozessen, die unsere Emotionen und Gefühle begleiten – unsere Gefühle also körperlich erlebbar machen. In zahlreichen Gesprächen über das Buch war immer wieder vor allem ein Thema von besonderem Interesse: der hormonelle Unterschied zwischen Mann und Frau. Was lag also näher, als sich mit diesem Thema einmal ausführlicher zu beschäftigen?

Sie erläutern in Ihren Büchern, warum Männer zum Beispiel gerne Actionfilme ansehen – kann man daraus ableiten, dass sie die besseren Nerven haben als Frauen?

Nein, eher das Gegenteil. In wissenschaftlichen Studien konnte gezeigt werden, dass die Konzentration des „männlichen“ Geschlechtshormons Testosteron im Blut von Männern um mehr als 30 Prozent ansteigt, wenn sie sich einen Actionfilm ansehen. Der Testosteronspiegel von Frauen (bei denen ebenfalls Testosteron in der Blutbahn kreist, wenn auch in geringeren Mengen) bleibt hingegen von actionreichen Filmszenen völlig unbeeindruckt. Da Testosteron eher für ein aufbrausendes Temperament und ein erhöhtes Aggressionspotenzial verantwortlich ist und somit eher zu einem schwachen Nervenkostüm führt, haben Frauen – zumindest aus hormoneller Sicht – die besseren Nerven. Und dass nicht nur, wenn es auf dem Bildschirm actionreich zugeht.

Was die Filme betrifft, kann es natürlich auch einfach daran liegen, dass Frauen Actionfilme eher langweilig finden und mit Sätzen kommentieren wie: „Na klar, 30 Gangster schießen mit Maschinenpistolen auf James Bond und keiner trifft!“

Frauen scheinen wiederum eine erstaunliche Gelassenheit im vorweihnachtlichen Shopping-Rummel an den Tag zu legen. Können Männer hier von Frauen lernen?

Nicht nur hier könn(t)en Männer von Frauen lernen, aber ob Mann immer gegen die Macht seiner Hormone ankommen ist eine andere Frage. Schauen wir uns einen weiblichen Einkaufsbummel einmal aus Sicht eines Mannes an: Die Frau bewegt sich (scheinbar) ziellos in einer riesigen Menschenmasse umher. Mal langt sie hierhin, dann dort ein Kleidungsstück an, um sich dann plötzlich – wilde Haken schlagend – zielstrebig durch das Menschenchaos auf ein anderes Kaufobjekt zuzubewegen, das unvermittelt ihre Aufmerksamkeit erregt hat. Und das macht sie alles völlig unaufgeregt und mit offensichtlich großer Freude.

Für Männer bedeutet Chaos – und somit auch ein Einkaufsbummel – in aller Regel Stress. Und auf Stress reagiert unser Körper mit einer erhöhten Ausschüttung des Stresshormons Adrenalin. Hier läuft ein evolutionäres Überlebensprogramm ab: Unser Ururur-Vorfahre hatte nur zwei Möglichkeiten, wenn er sich unvermittelt einem Mammut gegenüber sah – entweder Angriff oder Flucht. Und für beides musste der Körper auf Hochleistung gebracht werden. So haben wir all die körperlichen Symptome in einer Angst-, Gefahren- oder Stresssituation einem kleinen Hormon namens Adrenalin zu verdanken. Eine erhöhte Ausschüttung dieses kleinen hormonellen Stressmachers macht sich beispielsweise in einem erhöhtem Herzschlag und Blutdruck, einer verstärkten Schweißbildung und einer hektischen Schnappatmung bemerkbar.

Kein Wunder also, dass man bei Männern, die man im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung ins vorweihnachtliche Einkaufsgetümmel schickte, Adrenalinpegel messen konnte, die ähnlich hoch waren, wie die von Kampfpiloten im Einsatz. Oder wie die unseres steinzeitlichen Vorfahrens auf Mammutjagd.

Welcher Einfluss wirkt sich also stärker aus, der hormonelle oder der geschlechtsspezifisch anerzogene?

Das ist schwer zu sagen. Sicherlich werden viele unserer allgemeinen Verhaltensmuster, wie unsere Körperreaktionen und unser Verhalten in einer Stresssituation, von unseren evolutionären biochemischen Körperprogrammen unwillkürlich gesteuert. Allerdings liegt es auch an uns, inwieweit wir diese körperlichen und emotionalen Reaktionen die völlige Kontrolle übernehmen lassen. Nicht jeder, der vor Wut kocht, muss diese in Form von Aggressivität abbauen. Und hierbei spielt unser anerzogenes Sozialverhalten eine große Rolle.

Wie können Unternehmen von diesen Unterschieden profitieren? Welche Risiken und Möglichkeiten haben gemischte Führungsteams?

Auch hier gibt es keine allgemeingültigen Aussagen. Allerdings gibt es eine Reihe von geschlechtsspezifischen Unterschieden, die auf unterschiedliche hormonelle und biochemische ‚Programme‘ zurückzuführen sind und die man sich durchaus (auch) in einem Führungsteam zunutze machen kann. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Bei Männern ist aufgrund einer stärker ausgeprägten Testosterondusche im Mutterleib die rechte Gehirnhälfte etwas größer als die linke. Da in der rechten Hälfte der Sitz des räumlichen Wahrnehmens ist, haben Männer ein etwas besseres räumliches Vorstellungsvermögen als Frauen.

Wenn es also beispielsweise um die Erstellung von Konstruktionsplänen für ein neues Auto geht, haben Männer einen leichten Vorteil gegenüber Frauen. Bei Frauen sind beide Gehirnhälften etwa gleich groß, allerdings ist die „Verdrahtung“ der beiden Hälften bei Frauen deutlich besser, was einen schnellen Informationsaustausch im weiblichen Gehirn ermöglicht. Dies äußert sich darin, dass Frauen oftmals sprachlich (auch fremdsprachlich) begabter und kommunikativer als ihre männlichen Kollegen sind. Auch das Erledigen mehrerer Aufgaben geht Frauen deutlich leichter von der Hand als Männern, die eine konzentrierte Fokussierung einem Multitasking vorziehen.

Daher haben gemischte Führungsteams den Vorteil, dass die geschlechtsspezifischen Stärken ergänzend in die Entscheidungsfindung und operative Umsetzung eingebracht werden können. Was hilft es, wenn der Ingenieur zwar ein tolles neues Auto designt und gebaut hat, er es aber nicht versteht, dessen Vorteile auch erfolgreich zu kommunizieren? Und wer hat die besseren Nerven, die hierfür notwendigen Marketingveranstaltungen zu koordinieren und durchzuführen?

Haben Sie einen speziellen Tipp für Frauen im Umgang mit männlichen Kollegen?

Wenn sich der männliche Kollege mal wieder über irgendeine Nichtigkeit grundlos aufregt, einfach daran denken, dass bei ihm vermutlich gerade ein „Ur-Programm“ abläuft und er sich hormonell kurzfristig wieder auf Mammutjagd in der Steinzeit befindet. Wenn er in der Mittagspause dann etwas in den Magen bekommt, legt sich das wieder. Aber bitte lassen Sie ihn zur Weihnachtszeit nicht alleine sein Mittagessen kaufen. Das stresst ihn nur noch mehr.

Vielen Dank, Herr Dr. Rauland, für das interessante Interview.

Buchcover - Marco Rauland - Warum verliebte Köche die Suppe versakzen  und was die Hormone sonst noch mit uns anstellen Mehr Informationen zu Dr. Rauland und seinen Büchern finden Sie unter https://www.rowohlt.de/autor/marco-rauland-158. Das Taschenbuch „Warum verliebte Köche die versalzen“ können Sie über femalemanagers zum Sonderpreis von 6,95 € beziehen. Versand inklusive. Bei Interesse senden Sie uns eine E-Mail an info@femalemanagers.de.

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