Frauen im Zeitalter der Digitalisierung
Frauen als Gestalterinnen der digitalen (R)Evolution?
Schön wäre es! Doch die Realität sieht anders aus. Digitalisierung und Industrie 4.0 sind zwar die größten Veränderungsthemen der Gegenwart, doch weibliche Experten sind zu diesen Themen kaum sichtbar. In Talk-Shows, Fernseh-Dokumentationen, auf wichtigen Wirtschaftspodien oder in den Entwicklungsabteilungen großer Unternehmen – fast überall gilt: Oben ohne! Der Eindruck entsteht, die Zukunft wird ohne Frauen gemacht. Warum ist das so?
Wir müssen dazu einige Jahrzehnte in die Vergangenheit reisen. Ada Lovelace (1815-1852) war Mathematikerin und Gründerin der Computerwissenschaften. Als erste Programmiererin der Welt schuf sie einen Berufszweig, in dem Frauen bis heute unterrepräsentiert sind. Noch im Zweiten Weltkrieg waren Frauen maßgeblich an wichtigen Erfindungen beteiligt, die den Grundstein für unsere heutige Tech-Industrie legten. Der Umbau dieser Sozialdemografie erfolgte in den 80er-Jahren, als sich die Tech-Industrie – ausgehend vom Silicon Valley – mit ihrem flächendeckenden Erfolg ökonomisch stark veränderte. Heute sind Frauen nicht nur im Silicon Valley stark unterrepräsentiert. 165 Jahre nach Ada Lovelace‘ Tod, im Jahr 2017, sind gerade einmal 7,2 Prozent Frauen im Top-Management in Industrie 4.0 beschäftigt.
Das World Economic Forum hat Anfang des Jahres 2016 prognostiziert, dass Frauen zu den Verliererinnen der digitalen Transformation zählen werden. Warum? Weil sie nicht nur in technischen Berufen, sondern auch an vielen wichtigen Schaltstellen in Forschung und Entwicklung sowie im (Top-)Management nicht vertreten sind. Sie fehlen überall dort, wo momentan die Weichen der Zukunft gestellt werden.
Dabei spielen Frauen in Veränderungsprozessen eine entscheidende Rolle. Nicht nur, weil sie 51 Prozent der Bevölkerung darstellen, sondern weil sie mit anderen Denkhaltungen und Erfahrungshorizonten wertvolle und nachhaltige Impulse geben können und müssen, um die technologische Marschrichtung zu gestalten.
Frauen im Zeitalter der Digitalisierung als eine wertschöpfende Zielgruppe anzusehen und langfristige Frauenförderung nicht nur auf die Schaffung von Betriebskindergärten zu reduzieren, ist daher eine der größten unternehmerischen Herausforderungen der Gegenwart. In einer Zeit, in der Wandlungsfähigkeit über die Zukunft von Unternehmen entscheidet und in welcher der globale Wettbewerbsdruck stetig zunimmt, ist eine vielfältige Belegschaft die elementare Grundvoraussetzung für die Zukunftssicherung von Unternehmen. Eine vielfältige Belegschaft bietet den Nährboden für Innovationen, denn je größer der Reichtum an Lebenseinstellungen, Kenntnissen und Erfahrungen innerhalb der Belegschaft ist, desto größer ist das (kreative) Potenzial, das ein Unternehmen entfalten kann.
Unternehmen, die Frauenförderung ernst nehmen, leiten einen nachhaltigen Change-Prozess ein, denn authentisch gelebtes Diversity-Management verändert, wie alle anderen Veränderungsprozesse auch, die DNA eines Unternehmens. Frauen sind Inkubatoren für flexiblere Arbeitszeiten – von denen auch Männer profitieren. Doch flexible Arbeitszeiten haben noch eine viel tiefer gehende Wirkung, denn flexible Arbeitszeiten sorgen zu einem Entstressen von famlienintensiven Lebensphasen, fördern die Kreativität und sind nicht nur bei den Frauen, sondern auch bei der Generation Y ein wesentlicher Faktor für eine hohe Arbeitgeberattraktivität.
Die Förderung von Frauenkarrieren bedeutet für viele Unternehmen daher eine echte Frischzellenkur für die gesamte unternehmerische Organisation, denn auch neue Karrieremodelle, Führen in Teilzeit oder Jobsharing lockern Präsenzkulturen auf und bilden die Grundlage für agiles Arbeiten – eine der Kernvoraussetzungen, um den digitalen Wandel wertschöpfend gestalten zu können.
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